x


Daniel Ambühl  Bildweg  Zürich   Dokumente

  x

x Die Schöpfung des Menschen

x

X Begleitheft zum Bildweg in Zürich 1997

 

X

Inhalt

Die Schöpfung des Menschen  >
Über Geschichte und Schichtung  >

1.  Der Träumende 
>
2.  Der Froschkönig 
>
3.  Die Geburt zum Achten 
>
4.  Die Flucht 
>
5.  Der Fischzug 
>
6.  Die Mahlzeit 
>
7.  Das Paar 
>

 

 

X

Die Schöpfung des Menschen

Der Bildweg Zürich erzählt die Geschichte der Schöpfung des Menschen, wie sie sich immer wieder, in jedem Geschehen und jedem Menschen abspielt. Jedes Geschehen und jeder Mensch entwickeln sich nach dem gleichen Muster, nach einem Urmuster. Dieses Muster ist bereits als Schöpfungsgeschichte beschrieben worden, taucht aber - wie aus dem Nichts - immer wieder auf in unser Leben hinein und prägt unsere Erfahrung. Diese Prägung vollzieht sich nicht ausschliesslich in unserem Bewussten -ja sogar sehr selten. Sie ist aber da und könnte aufscheinen als Überaschung.

Die Schöpfung des Menschen geschieht immerzu, in jedem Augenblick, in jeder Begegnung. Wir sind zwar bereits "Menschen", stehen da, handeln, sprechen, fühlen - doch "menschen" wir? "Menschen" wir unabhängig von dem, was wir gerade tun, denken, fühlen, in den Händen halten? Dieses unser "Menschen" entsteht in jedem Augenblick neu - oder eben nicht. Das ist unsere Freiheit und unser Wagnis.

Wie entsteht aber unser "Menschen"? Es ist kein einfacher und kurzer Prozess, dieses Menschwerden. Es ist vielfach, vielschichtig. Und keine der einzelnenen Stationen auf diesem Weg können wir wirklich selbst steuern. Was uns übrigbleibt in diesem Geschehen ist das Annehmen des Weges und dessen, was auf ihm für uns bereitliegt.

Dieses Geschickte, das Schicksal, können wir aber oft nicht einfach als Geschenk annehmen. Es erscheint uns sehr häufig als eine Störung, eine Bedrohung, ein Kreuzweg. Auf unserem Weg zum Menschen kreuzen sich Glück und Leid, Erwünschtes und Unerwünschtes, und nageln uns fest auf unser Leben hier.

Unser anfänglicher Wunsch - eine Ahnung fast nur, wie es sein könnte - verwandelt sich in ein Zwitterwesen von Angst und Hoffnung, von Möglichkeit und Unmöglichkeit. Diese Spannung halten wir zwar fast nicht aus, doch bringt sie etwas in Bewegung, das über unseren einfachsten Wunsch hinausgeht. Wir könnten dann empfinden, dass etwas gänzlich Undenkbares, etwas Überraschendes in dieser Bewegung möglich wird, das wir mit unserem Willen allein nie zustande bringen würden.

Jedes Geschehen, jeder Mensch ist so. Und jeder Mensch fürchtet sich auch vor diesem Ungewissen, Undenkbaren. Lieber hätte er den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Er könnte flüchten vor dem Überraschenden, vor dem Ganz-Anderen, den Spatz für seine Zwecke benutzen und die Taube sausen lassen -oder er könnte den Schmerz annehmen, nicht unmittelbar erfolgreich zu sein, nicht unmittelbar ans Ziel zu kommen und nicht Nutzen aus der Situation ziehen zu können. Er müsste dann geduldig sein und die Erwartungen an die Zügel nehmen. Das Unerwartete, die Taube auf dem Dach, wird dann schon kommen und uns mit reichen Geschenken überraschen, mit einer Mahlzeit aus tausenden von Gerüchen und Gerichten am gemeinsamen Tisch.

Auf dem Kreuzweg, wo Ich und Du, wo Profanes und Ewiges ihre Wege kreuzen, "menschen" wir. Wir können dann - mit Stolz und mit Woddy Allen - sagen: "Das Leben ist voller Trauer und Einsamkeit, Leid  und Schmerz - und erst noch viel zu kurz."

X
Über Geschichte und Schichtung

Was geschieht, wenn ein Künstler ein Kunstwerk schafft? Er erzählt sich zuerst einmal selber eine Geschichte; dann entsteht ein Musikstück, ein Bild oder eine Erzählung. Das Musikstück wird gespielt, hat einen Anfang und ein Ende und eine Dauer dazwischen. Die Erzählung wird gelesen und hat ebenfalls einen Anfang und ein Ende sowie eine Dauer in der Mitte. Und ein Bild? Wir stehen vor der Wand, an der das Bild hängt, und fragen danach, welche Dauer, welche Zeit dieses Fenster zum Geträumten denn haben könnte. Es ist doch bereits abgeschlossen, ist eingeschlossen in einen Rahmen, als Übriggebliebenes eines künstlerischen Prozesses zurückgelassen vom Künstler, der nun auch nicht mehr Interpret seines Kunstwerkes sein kann, es nicht mehr spielen und nicht mehr vorlesen, sonderen einfach nur daneben stehen kann.

Dem Bild wurde die Zeit, die Dauer zwischen Anfang und Ende gestohlen. Dem Bild? Ja, vielmehr dem Betrachter des Bildes, denn das Bild verbirgt diese Zeit in ihren Schichten und fordert sie nun vom Betrachter als Geduld, als Bereitschaft, den Weg selber zu gehen. Es geht nicht nur darum, dem Bild Zeit zu widmen im Betrachten, sondern auch, ihm Zeit zu schenken in die Enge seiner Schichtungen hinein, diese gleichsam auseinander zu ziehen, sodass eine Geschichte entsteht.

Eine Geschichte will erzählt sein, Wort um Wort, Ton um Ton, Schritt um Schritt. Der Bildweg gibt dem Betrachter die Möglichkeit, diese Geschichte wirklich - Schritt für Schritt - einzusammeln. Die einzelnen Stationen erzählen ihre eigenen Geschichten und fügen sich zu einem grösseren, umgreiffenden Thema zusammen. Dieses Thema besteht zu einem wesentlichen Teil in der Erinnerung an die Einzelbilder - Erinnerung aber nicht als sentimentale Wegzehrung, sondern als Stifterin eines Zusammenhanges, der über die Erfahrung der Gegenwart hinausgeht und Dauer, ja Ewigkeit schenkt.

Die Gegenwart fliesst unfassbar davon. Dort gibt es keinen Halt und keinen Zusammenhang; dieser bedarf stets des Einsammelns auf dem Weg der Erinnerung. Zusammenhang - thematische Ordnung - wird uns nicht einfach vor die Füsse gestellt: Wir sollen den Weg gehen und die einzelnen Schritte erfahren. In unseren Gedanken und unserem Empfinden bildet sich dann die Geschichte des Weges heran, die Schichtungen des Bildes offenbaren sich.

So wird dem "Bildgänger" mit den einzelnen Säulen und Bildplatten der Zusammenhang nicht fixfertig in die Hände gedrückt; er muss den Weg selber gehen, um nach den sieben Bildsäulen, das achte Bild - sein eigenes- zu schaffen.

Das achte Bild ist nach den sieben Einzelbildern die Gesamtheit des Weges. In der Schöpfungsgeschichte wird von den sechs Schöpfungstagen erzählt und vom siebten Tag, unserer Gegenwart. Der achte Tag ist dann die Gesamtheit unsereres Lebens hier. Er ist nicht das Ziel des Weges, sondern seine Fassung. Für uns, hier auf dem Weg der sieben Tage, ist der achte Tag noch unfassbar.

Die einzelnen Bilder des Bildwegs sind auf das achte Bild hin gerichtet. Stets werden bestimmte Motive der Einzelbilder in die Fassung des Achten gebracht. Damit ist der Bildweg nicht nur Gleichnis des künstlerischen Prozesses, sondern Sinnbild der Schöpfung: Das unfassbare Ganze unseres Lebens ist schon da; die einzelnen Erlebnisse und Begegnungen sind auf dieses Unfassbare hin gerichtet und werden auf dem Weg des Menschen gesammelt. Könnte "Achtung" gegenüber dem Leben, der Welt und dem Menschen etwas mit dieser "Acht", mit diesem achten Bild, dem achten Tag zu tun haben?

 

 

Der Träumende

 

Auf dem ersten Bild sehen wir ein menschliches Gesicht mit geschlossenen Augen. Es träumt. Es träumt sich als Fisch. Einen Fisch sehen wir dann auch unterhalb seines Gesichtes, nahe seines Herzens. der Mensch ist versunken in seinem Traum; der Fisch versunken noch in den unergründlichen Meerestiefen seines Herzens. Hier ist der Mensch ganz umfangen vom Wasser der Zeit, noch nicht aufgetaucht an die Oberfläche einer Bewusstheit. Er ist sich selbst noch ganz selbstverständlich, unbekümmert und genügsam.

Der Weltfisch ist der einzelne und einzigartige Mensch, der aber als Ahnung bereits verbunden ist mit der ganzen Welt, der ganzen Wirklichkeit bis hin zur Geborgenheit der Ewigkeit. Dieses Gefühl der Geborgenheit steht dem Träumenden auf das Gesicht geschrieben. Doch die ganze Situation ist noch statisch, ruhend, noch unlebendig. Wo ist die Bewegung? Wo ist die Beziehung zur ganzen Welt? Wir ahnen bereits, dass der Mensch aus diesem Paradies der geborgenen Ruhe vertrieben werden muss, um Weltfisch zu sein, um in Beziehung zu kommen mit dem Weg der Welt.

Der Fisch nämlich, hier noch ganz unter Wasser, braucht Luft zum Atmen, die von oben, vom Traume des Menschen her, zu ihm durchdringt. Mit jedem Kiemen-Atemzug verwandelt sich seine Ahnung immer stärker in die Sehnsucht nach dieser Luft, nach dem Ort der Luft: der Welt da draussen.

Eine Ahnung vom Leben als Weltfisch steigt im Traume hier schon auf. Ein Anfang, eine erste Herzensbewegung ist bereits vollzogen; ein Wunsch gewünscht. Die Suche nach Erfüllung des Wunsches hat - fast unmerklich noch - begonnen. Noch eingebunden im Namenlosen hört der Mensch leise und weit entfernt den Klang seines Namens; er tönt wie das Versprechen eines eigenen, grossartigen Königreiches.  Die Unbestimmtheit seines Ruhezustandes ist gebrochen in Sehnsucht nach dieser einzigartigen Stimme einen eigenen Lebens, eines eigenen Namens.

 

X
Der Froschkönig

 

Der Fisch taucht auf, wird zum Amphibium, einem zwischen Wasser und Luft noch unentschiednen Frosch. Da steht er nun, am Teich seines Traumes, ist erwacht und doch nicht am Ziel seiner Sehnsüchte. Er wünscht sich die Welt "da draussen" und merkt nun plötzlich, dass die Welt "da draussen" ganz schön weit weg sein kann. Aber auch ganz schön; denn das Ziel seiner Sehnsucht ist doch die wunderschöne Prinzessin dort oben. Wie kommt er aber zu ihr hin?

Der Frosch dreht sich ein wenig nach rechts und sieht da zwei dünne, lange Schilfrohre stehen. "Hat das etwas mit mir zu tun?" Sein Blickt hebt sich, und da bemerkt er, dass ein riesiger Storch ihn hungrig anblickt. "Das hat etwas mit mir zu tun!" Und dieser Storch hat auch etwas mit seinem Wunsch zu tun, mit seiner Sehnsucht nach der Prinzessin. Dort oben nämlich, auf dem Bergrücken der Prinzessin, steht auf dem Schlossturm das Nest der Storchenfamilie. "Ach ja, der Storch könnte mich zu meiner Liebsten bringen!"

Der Storch ist das Schicksal des Frosches; er ist Geburtshelfer für den Unentschiedenen und trägt ihn seiner Bestimmung zu. Der Frosch merkt nun: "Wer bin ich denn? Bin ich nur ein Frosch, bleibe ich hier an meinem Tümpel und setze Moos an. Aber ich bin doch ein verwunschener Prinz. Wenn mich der Storch nun frisst, stirbt der Frosch und lebt der Prinz: Aber wer - in aller Welt - garantiert mir, dass dem so ist?"

Die Hingabe des Frosches an sein Schicksal, an das Werden seines Menschseins, seines Königseins, ist entscheidend. Alles Berechnen führt nun nicht mehr weiter. Kehrt der Frosch ins Wasser zurück, verleugnet er sein Königtum. Lässt er sich fressen vom langschnabligen Schicksal - wer weiss, ob er vom Storch wirklich dorthin gebracht wird und in welchem Zustand er dort ankommt.

Wie in der Pubertät wird in diesem Bild nicht nur die schwärmerische Hoffnung zum Ausdruck gebracht, sondern auch furchtbare Angst und Verzweiflung.

 
Die Geburt zum Achten

 

Gerade in der Verzweiflung aber geschieht der Durchbruch. Letztlich wird der Frosch, ob er will oder nicht, immer gefressen, die Unentschiedenheit von der Schicksalszeit verspiesen. Der König wird aus dem Frosch geboren.

Auf diesem Bild sehen wir denn auch die Geburt des Weltenkönigs. Es ist die Weihnachtsgeschichte. Ein Fluss - es ist natürlich die Limmat - ist der Körper der Maria. Wir erkennen ein Gesicht voller Mutterglück und in ihrem Schoss die Krippe mit dem Christkind, bestaunt von schamvollen Blicken der Tiere. Neben der Krippe stehen die drei Könige - waren sie Frösche zuvor? - und bringen dem neuen Licht ihre Geschenke dar.

Maria ist gebunden mit zwei Bändern: Hinweis auf die "unbefleckte Empfängnis, der Empfängnis und Geburt der neuen Welt ohne Dazutun, ohne Leistung - als Geschenk des Himmels. Dennoch ist Maria der Fluss: sie schenkt dem Achten, dem ewigen Ganzen, die Zeit in dieser Welt, das Fliessende, den Weg. Und Josef, dessen Name "Es komme noch einer" bedeutet, steht - neben der Maria-Limmat schon angedeutet als Grossmünster-Hirte - bereit, um diesen Weg zu gehen. Er geht den Weg, aber eben im Sinne des "Es komme noch einer", des Achten, der die sieben Stationen unseres Lebens in die Fassung des Ganzen und Heilen bringt.

Wir erinnern uns: Der Froschkönig schielte auf dem letzten Bild nach dem Nabel der Welt, dem Nabel seiner Angebeteten. König geworden, ja einer der drei Könige aus dem Morgenland, erkennt er in diesem Nabel den Stern von Bethlehem, der ihm den Weg zur Geburt des Achten weist. Die Anziehung zur Welt offenbart sich überraschend als Bote des Durcbruchs zu einer ganz anderen Weise des Lebens in der Welt: der Liebe. Das Achte, das Ganze des Weges unseres Lebens, ist doch genau dieses: Zusammenhang in Liebe.

 

 
Die Flucht

 

Der Weg der Liebe, der Weg der Welt führt ins Exil, in die Verbannung. Auch wenn der Frosch seine geliebte Prinzessin kriegt, auch wenn der König aus dem Morgenland die Krippe findet, was hat er dann gefunden? Begreifen wir das Geheimnis des Geliebten, wenn wir ihn umarmen? Die Liebe kann im Zugriff des Zweck- und Nutzendenkens nicht überleben. Sie erstickt ohne Freiheit wie der Weltfisch ohne Luft.

Das Geheimnis flieht vor unserem Zugriff. Es möchte ersehnt, geliebt werden und nicht nur einfach begriffen und damit umfasst und eingemauert. Auf dem Bild sehen wir die Heilige Familie auf der Flucht aus Bethlehem. Maria und das Christkind reiten auf dem Esel, Josef schreitet tapfer voran.

Der Weltfisch ist in einem Burghof gefangen, der Fluss der Limmat und die Gnade Marias aufgehalten. Zur Bewegungslosigkeit verurteilt, bleibt für den Fisch als einzige Bewegungsmöglichkeit der Fall: als Bombe, die ihren gestauten Bewegungsdrang als Vernichtung entlädt. Diese Explosivität des gefangenen Fisches, des isolierten Menschen, bedroht die Heilige Familie; der Diktator über unser Leben, Herodes, lässt alle Kinder, alles Zweckfreie und Hoffnungsfrohe in uns töten. In dieser Vermassung und Isoliertheit wird der Mensch unter das Diktat des Nutzens gezwungen. Da werden sogar Kirchtürme zu Fabrikschloten, wie wir es auf dem Bild erkennen können. Die himmlische Geliebte wird mit Staub und Russ beschmutzt.

Ein wirklich königlicher Betrachter könnte aber hinter dem Schrecken und Leid des in der Burg gefangenen Fisches auch den "gefangenen", den aus dem Wasser der Zeit gefischten, ewigen Menschen erahnen. Und hinter der Verzweiflung des isolierten Menschen auch die grosse Freude der Einzigartigkeit. Dann müsste dieser Betrachter mit der Heiligen Familie zusammen fliehen - fliehen vor dem schamlosen Zugriff auf das Geheimnis. Auf den Weg, um dieses Geheimnis im Leben als einen für jeden einzigartigen und ewigen Schatz zu bergen.

 

 
Der Fischzug

 

"Hinaus, hinaus auf das Meer! Hinein in die Welt! Lasst uns staunen und freuen ob der wunderbaren Welt und die Schätze suchen!"

Die Flucht vor der Welt war notwendig, um der Starre und Einseitigkeit zu entkommen. Um aber die Welt wiederzufinden, bedarf es des Staunens über die Ordnung der Welt. Die Ordnung ist der Schmuck der Welt. Die ganze wunderbare Vielfalt ist in eine Ordnung gefügt, die jedem einzelnen Menschen seinen Ort zuweist.

Der stumme Fisch wird damit be-stimmt; er erhält eine Stimme. Im Fischzug wird der Fisch, die Einzigartigkeit des Menschen, aus der Verlorenheit und Orientierungslosigkeit im unendlich fliessenden Wasser des Meeres geborgen. Das Netz des Schöpfungsgefüges umfängt den Menschenfisch und hebt ihn an die Grenze zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit, zwischen Wasser und Himmel, ins Boot der sieben Fischer, in die Ordnung der sieben Schöpfungstage.

Dieses Fischerboot ist Gleichnis der Gemeinschaft der Menschen. Mit der Stimme, die der Mensch in seiner Bestimmtheit erhält, wird das Fischerboot zum Bild der Sprache und des Kirchenschiffes als Gleichnis der Gemeinschaft im Glauben und Vertrauen.

Das Grossmünster sehen wir denn auch als Dampfer und die Dächer von Fraumünster und St.Peter als Segel von - ja eben: Kirchenschiffen.

Im Fischzug wird der Schatz des Menschen aus der undifferenzierten Gleichgültigkeit herausgeholt in das Denken und Empfinden, des In-Sich-Findens. Es kommt zur Auseinandersetzung. Was der Träumende sich noch träumte, was der Frosch sich noch wünschte, wird nun konkret. Das zuvor nur Innerliche erkennen wir nun auch in den Bedingungen des Äusseren. Wunsch und Realität klaffen auseinander - ja, die Realiträt droht zuweilen den Wunsch zu vernichten. Geduld ist gefordert und unsere Stellungsnahme gegenüber der gegebenen Ordnung. Mehr können wir nicht tun; das weitere ist Geschenk.

 

 
Die Mahlzeit

 

Als Geschenk steht ein Tisch der Begegnung bereit - in jeder Gegenwart. Auf ihm wird uns die Mahlzeit serviert, die in der Küche des Schicksal zubereitet wurde. In unserer Stellungsnahme gegenüber der Welt setzen wir uns an den Tisch und sind bereit, das Fischgericht zu uns zu nehmen.

Schauen wir uns die Metramorphosen dieses Schicksalstisches auf dem Bildweg nun einmal an:

Auf dem ersten Bild ist er der geträumte Weltfisch, auf dem zweiten Bild die trübe Unentschiedenheit des Froschteiches, auf dem dritten Bild die Krippe im Stall zu Bethlehem, dann der Esel, der die Heilige Familie mit sicherem Instinkt auf den gefährlichen Fluchtwegen trägt, und in der Folge wird er zum Schiff auf Fischzug.

Der Wunsch nach Erfüllung in der Welt wandelt sich in eine erste trübe Aussichtslosigkeit. Erst dann, wenn nichts mehr für möglich gehalten wird, überrascht der Durchbruch als Geschenk und Geburt des Unmöglichen. Doch die Gesetze der Welt sind damit nicht aufgehoben. Der Wunsch führt zur Stellungsnahme in der Welt: Flucht vor Angriffen des berechnenden Zweckdenkens einerseits, Rückehr in die Welt mit der Ehrfurcht vor der Schönheit ihrer Ordnung andereseits.

Mitten in der Welt, mitten in der Zeit, in jeder Gegenwart findet nun am Tisch der Begegnung die Mahlzeit statt. Der Wunsch, der Weltfisch , wird verspiesen. Er wird zu unserem Fleisch und Blut. Vom Licht der Ewigkeit wird diese Mahlzeit hier beschienen; nicht die Sichtbarkeit in dieser Welt ist wesentlich für den Wunsch, sondern die Berührung mit dem Licht der Ewigkeit. Der Mensch spührt dann: der Wunsch ist Wirklichkeit geworden - ewige Wirklichkeit, unabhängig von Erfolg und Misserfolg, Verständnis und Missverständnis im Schein des kleinen Lichtes unserer Bewusstheit.

Ganz unscheinbar hat sich der Wunsch in unsere Welt gelegt, gleichsam innen und aussen, bereit für die Erfüllung mit Leben.

 
Das Paar

 

Auf dem Zürichsee sitzt ein Paar in einem kleinen Boot; die Frau hält einen Schirm. Es ist nicht nur der Abschluss einer schönen Liebesgeschichte - eine solche erzählt die Schöpfung auch; der Mensch hat sich hier nun selbst gefunden. Der innnere Wunsch des Fisches auf dem ersten Bild erscheint nun in der Welt. Die Geborgenheit eines Hauses war schon immer da; erst jetzt aber, nach den sieben Stationen des Weges, wagt der Mensch auch, dies zu sehen.

Der Schöpfungsweg führt nicht in eine Trennung von Diesseits und Jenseits. Auf dem Weg mag es ein Diesseits und ein Jenseits unseres Begreifens geben; beide Bereiche zusammen bilden aber das Königreich des Lebens. Die Sonne der Ewigkeit durchscheint den Fluss der Zeit und strahlt auf das Paar. Die Frau, als Sinnbild des diesseitig Erscheinenden und Begreifbaren, bedarf des Schutzes: vor den zu starken Strahlen der Sonne einerseits, andereseits aber auch vor dem schamlosen Zugriff des nur dem Eigennutz verpflichteten Willens.

Der Mann als Sinnbild des Jenseitigen, Unbegreibaren, hält das Ruder. Das Unfassbare, das Achte steuert unser Leben. Das ist der Grund, weshalb die Geburt des Achten, die Weihnachtsgeschichte, für etwas im Menschen stets eine Gefahr darstellt: für seinen Wilen nämlich, alles selber im Griff und unter Kontrolle zu haben.

Die Sonne durchscheint den Fluss der Zeit, macht die Welt ewig. Der Mond, der Entwicklungsweg der Welt, ist im Himmel geborgen, zum Ganzen gefasst. Die Unruhe, das Launische des Mondes kommt zur Ruhe, der ruhende See mündet in die Bewegung des Lebensflusses. Die Erzählung steht nicht still; sie geht weiter. Der Mund kann nicht gehalten werden, sondern öffnet sich dem Fluss der Geschichten in Ewigkeit.

Die ganze Geschichte des Bildwegs mündet im achten Bild in den Fluss unseres Alltages - in die Stadt, in der wir wohnen, mit den Menschen, mit denen wir am gemeinsamen Tisch sitzen, Fische fangen und speisen.

 

 

 

 
Links | Dokumente | Entstehung | Titelseite | Schlussbild | Bestellung
|
Hauptindex | Homepage | Fragen |
 

 

Daniel Ambühl und Thomas Primas
Copyright: Steintisch Verlag Zürich 1998

X

x

 

x