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Daniel
Ambühl zum Bildweg
Der
eigenen Kunst begegnen
Daniel
Ambühl, 45, ist
freischaffender Künstler und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in
Oberiberg (SZ). Mit 23 Jahren stiess er als Journalist zur verschworenen
Crew von Radio 24 (damals noch ein Piratensender) und moderierte
anschliessend einige Jahre beim Schweizer Fernsehen die Sendung
Eins-zu-eins. Als bildender Künstler interessiert er sich für
multimediale Ausdrucksformen und für künstlerisch-demokratische
Prozesse im öffentlichen Raum. 1995 installierte er in Ascona den
ersten Bildweg. Es folgten Bildwege in Berlin, in Zürich und an anderen
Orten in Deutschland und in der Schweiz. Ein Grosserfolg war sein
Artwalk auf den vier Arteplages der Expo.02.
Daniel,
du bist der Erfinder des Bildwegs. Seit acht Jahren hast du an
verschiedenen Orten in Deutschland und in der Schweiz Bildwege
realisiert. Wie kamst du auf die Idee?
Ehrlich
gesagt: ich weiss es nicht. Ich glaube nicht, dass eine Idee durch
rationale Anstrengung entsteht, sondern dass sie empfangen wird. Deshalb
spricht man ja auch von Einfall. Im Gegensatz zum Zufall, der einem von
aussen zustösst, ist der Einfall etwas, das in einen Menschen hineinfällt.
Aber woher der Einfall des Bildwegs kam, weiss ich nicht. Vielleicht war
ich damals gerade besonders offen dafür. Ich lebte in Berlin, es war
1995, mitten in der Aufregung des Abbrechens und Neubauens. Ich habe
Kunst nie als einen Beruf zur Herstellung von Produkten, Bildern,
Skulpturen oder Geschichten aufgefasst, sondern immer als ein
Forschungsprojekt. So trieb ich mich auf dem Berliner Grenzstreifen
herum, sammelte auf den Brennesseln und wilden Möhren
Schmetterlingsraupen und bestaunte ihre Entwicklung, Verpuppung und
Verwandlung zum Falter. Sammelte Kräuter für meine Berliner Apotheke.
Arbeitete mit einem Freund an einem Buchprojekt. Wir diskutierten mit
dem marxistischen Philosophen Sven Herzig, der in unserem Haus lebte, nächtelang
über Kunst, Glaube, Macht. Ich las Martin Heidegger und Walter
Benjamin, hörte Vortragskassetten von Friedrich Weinreb. Ich heiratete.
Meine Frau Azita erwartete unser erstes Kind. Und ich meine, dass in
unserem Dasein etwas von diesem tiefen Empfinden anwesend war, dass
Kunst eine geistige Tatsache ist jenseits von Betrieb, jenseits von
Handel, Produktion, Markt, Museen, Galerien...
...
und wie kam es dann zum ersten Bildweg?
Man
muss sich eine Art Wolke vorstellen, aus der sich das Projekt des
Bildwegs entwickelte. Zunächst als Publikumsaktion zu einer Ausstellung
in Ascona. Ein Versuch, die Menschen auf einem Spaziergang zu ihrer
eigenen Kunst zu führen. Mir war damals klar geworden, dass es in der
Kunst nicht darum gehen kann, der Kunst eines anderen Menschen zu
begegnen, sondern durch die Begegnung mit der Kunst eines anderen
seiner eigenen Kunst zu begegnen. Die Kunst liegt ausserhalb des
Kunstwerkes, sie liegt im Menschen selber. Dem Kunstwerk kommt die Rolle
der Vermittlerin zwischen den Künsten der Menschen zu.
Der
Bildweg richtet sich an Jung und Alt, an Einheimische ebenso wie an
Touristen. Was soll er vermitteln?
Der
Bildweg soll ein Fest der Sinnlichkeit sein. Ein Spaziergang, draussen
in der Welt, unter freiem Himmel, mit Farbkreiden und einem weissen
Blatt Papier, auf dem sich unterwegs ein Weltbild entwickelt.
Sinnlichkeit aber ist ein geistiger Vorgang, denn die Bilder, Gerüche,
Geräusche, Berührungen müssen im Menschen auf einen fruchtbaren,
geistigen Boden fallen, auf dem sie wachsen und sich entfalten können.
Man redet doch heute viel von Erlebnis: Erlebnisschule,
Erlebnisgastronomie, Erlebnisferien usw.
Aber was man dabei vergisst: Ein Erlebnis muss geistig angeeignet
werden, um seine segensreiche, verwandelnde Kraft zu entfalten. Ohne den
Prozess der geistigen Aneignung bleibt der Mensch seinen Erlebnissen
gegenüber unfrei und unmündig, als
Gefangener von Gefühl und Begeisterung.
Zum
Bildweg gehören ja auch Worte, eine ganze Geschichte...
...
genau, und die Erzählung ist ein wesentlicher, ja, der urmenschliche
Teil des Gesamtprojekts. Erst die Sprache bringt den Spaziergang und all
die Eindrücke, die am Weg liegen, in eine geistige Form. Wenn der
Bildweg etwas vermitteln soll, dann vielleicht dies: Er soll ein
Bildungsweg ohne Diplome und Prüfungen sein und zu einer Erfahrung von
Sinnlichkeit führen, die ich am Schluss des Basler Märchens so
umschreibe: Ein liebender Sinn für die Geschichten von Menschen und
Dingen.
Für
den Bildweg Basel hast du dich intensiv mit Basel und seiner Geschichte
auseinander gesetzt. Magst du diese Stadt? Was bedeutet sie dir?
Ich
bin sehr dankbar, dass ich eine so intensive Beziehung zu Basel und zu
den Geschichten seiner Bewohnerinnen und Bewohner pflegen darf. Ich glaube, dass hier in den Menschen die Offenheit gegenüber
neuen Ideen eine lange und wohl behütete Tradition hat. Basel hat in
seiner langen Geschichte mehrmals durch Verzicht auf äussere
Machtenfaltung eine grosse geistige Reife und Kraft entwickelt. Obwohl
das Baslerische ja nur in den lebendigen Menschen gegenwärtig sein
kann, spüren wir in dieser Stadt auch die Gegenwart von Gebäuden,
Dingen und Objekten, in denen sich das Schicksal und Streben der früheren
Baslerinnen und Basler materiell verdichtet hat. Diese zwei
Gegenwarten zwanglos, freudig und lebendig zusammenzuführen, ist
nicht nur ein wichtiger Antrieb des Baslerischen, sondern auch ein
Wunsch des Bildwegs.
Die
Fragen stellte Christoph A. Müller
Für
die Redaktion:
Obiger
Text darf im Zusammenhang mit dem Bildweg Basel bis zum 31. Oktober 2003
honorarfrei abgedruckt werden. Kürzungen sind erlaubt. Änderungen nur
mit Zustimmung der Autoren.
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Copyright Mai 2003 by Daniel Ambühl und Christoph A. Müller
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