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Daniel Ambühl  Bildweg  >  Dokumente

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Erzählstruktur des Bildwegs  1/2
 

Der Bildweg "Der Name Zürich" bringt auf exemplarische Weise die Eigenheit dieser Kunstaktion zur Geltung: Die Verbindung von Sprache und Bild.

Im Blick auf das fertige Bild ist es naheliegender von sieben Schichten zu sprechen als von sieben Stationen. Nicht nur die Farben schichten sich übereinander. Die Bildsujets der einzelnen Stationen schichten sich übereinander, indem sich gewisse Linien auf dem Blatt abzeichnen, andere aber verborgen bleiben; oder besser: der Erinnerung dessen überlassen sind, der den Bildweg begeht.

Der Bildweg ist die Vorführung eines Bildes als Geschichte. Ein Bild - eine an sich zeitlose Chiffer -, ist gleichsam auseinandergezogen in die Zeit, in die Dauer eines Ablaufs gedehnt, und wird damit in seinen Schichten und Stationen erfahrbar. Der Bildweg rückt ein Bild in die Nähe zur Sprache. Auch die Sprache dehnt zeitlose Begriffe in die Dauer eines Ablaufs, des Sprechens, der Reihenfolge der Vokale, Konsonanten, Buchstaben, Worte, Sätze.  
 

Der Bildweg erzählt ein Bild mit eigentlich sprachlichen Mitteln. Jede Station ist ein Buchstabe. Zusammengenommen ergeben diese Bildbuchstaben oder Buchstabenbilder dann das Wort, oder eben: Das Bild.

Worte können wir selbst dann lesen, wenn die Buchstaben übereinander geschrieben werden, aber nur, wenn Sie in eine zeitliche Abfolge gebracht werden, wenn also klar ist: Welcher Buchstabe kommt nach welchem. Ohne diese Hierarchie und Ordnung der Buchstaben in eine Reihenfolge, könnte ORT auch ROT oder TOR heissen. Das Sprechen und Schreiben und Lesen und Hören findet in der Zeit statt, als Geschichte.

 

Welches Wort ist hier dargestellt? 

Und hier?

 

BLAU oder LAUB?

Ganz wesentlich ist bei einem Wort nicht nur die Reihenfolge der Buchstaben sondern auch die Frage, mit welchem Buchstaben das Wort beginnt.

 
  Welches Wort lesen Sie hier?

                           

Der Vorgang auf der Suche nach der Antwort ist das, was wir Lesen nennen. Wir erkennen jedes der hinteinandergeschalteten Bilder als einen Buchstaben und wir sammeln sie ein, bis sie ein Wort bilden. Mit dem Ende des Wortes, oder der Zeichenfolge ist das Signal gesetzt, das zuvor Gesammelte zu einem Wort zu machen. Wenn Anfang und Ende unklar sind, ist nicht zu sagen, ob das obige Wort BLEI oder LEIB oder BLEIB heisst. Dies gilt nicht nur für Buchstaben, auch für Worte, Sätze. Sind sie ohne Ende aneinandergereiht ist es schwer, ja unmöglich zu sagen, was sie bedeuten.

 

Hier sehen Sie ein solches schlangenartiges Wortgebilde als Laufschrift:

Dachsbaumaschinegeranientäuschungerechthabergebnistplatz

Ungetrennt fliessen die Worte ineinander, bilden Zwischenworte, es entsteht eine nebulöse, undurchschaubare und hypnotische Bedeutungswolke. Die einzige Orientierung ist der Anfang, die Laufrichtung und das Ende des Gebildes.

Dies sind die fundamentalen Orientierungselemente des Bildwegs:
Anfangspunkt, Verlauf des Weges, Endpunkt.
 
  In dieser Folgeschaltung der sieben Druckplatten des Bildwegs "Der Name Zürich" wird deutlich, dass die Bilder nicht nur nacheinander kommen, sondern dass Elemente der einzelnen Bilder miteinander örtlich auf der Bildfläche in Beziehung stehen, und sich aus dieser Beziehung Linien abzeichnen, die sich zu einem  Schlussbild fügen: Zu einem Schlussbild, das auf keiner der einzelnen Bildplatten zu finden ist.

Zur Verdeutlichung ist nach der 7. Kupferplatte das Schlussbild dazugeschaltet. Wenn wir dieses Schlussbild mit den sieben Druckplatten vergleichen wird augenscheinlich, dass beim Abrieb der Bilder von den Druckplatten keines der Einzelbilder erkennbar ins Schlussbild übernommen wurde. Diese Einzelbilder bleiben verborgen. Wozu denn der ganze Aufwand?
 
  Es ist tatsächlich wahr: Um das Resultat des Schlussbildes zu erhalten, sind die Sujets auf den Einzelplatten nicht notwendig. Es würde genügen, auf einer blanken Kupferplatte nur jeweils diejenigen Linien erhöht stehen zu lassen, die es für den Abrieb braucht. Dann aber sähe der Teilnehmer des Bildwegs an der einzelnen Bildsäule kein in sich stehendes Bild, sondern nur einige Linien, die sich später zu einem Schlussbild summieren. Die einzelne Wegstation hätte damit keine Eigenständigkeit, keine Gegenwärtigkeit, keine Geschichte mehr. Der Bildweg wäre nichts weiter als die Installation zu einem simplen Druckvorgang, der einzig auf das Resultat des achten Bildes ausgerichtet wäre.
Der Bildwegs ist aber nicht einfach das Zeug zum Herstellungsprozess eines Bildes. Vielmehr ist der Bildweg seinem Wesen nach ein Kunstwerk zur Darstellung eines geschichtlichen Vorgangs. Was aber ist der Unterschied zwischen einem Herstellungsprozess und einem geschichtlichen Vorgang?

Hier sehen wir im Zeitraffer den Herstellungsvorgang für das Schlussbild des Bildwegs "Der Name Zürich". Dasselbe Resultat könnte man auch erreichen ohne die Einzelbilder an den Stationen.Die Einzelbilder treten bei diesem Herstellungsvorgang nicht als eigenständiges Ganzes in Erscheinung. Ihre Ganzheit wird verborgen, indem sie gewisse Linien ihres Einzeldaseins zu einem übergeordneten Ganzen - dem achten Bild - beisteuern.
 
 

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