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Daniel Ambühl  Bildweg  Ludwigsburg  Dokumente

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x Brief an Thomas Primas X

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„Wenn ich Freude habe, die Klaviersonate von Mozart zu spielen, oder die Kunst der Fuge von Bach, dann muss ich üben.“

Nein! Zuerst muss ich von dieser Sonate und Fuge berührt sein, sie anhören, empfinden. Einfach nur anhören, empfinden. Immer wieder vielleicht. Der Klavierspieler muss sein Ohr zum Herz und sein Herz zum Ohr bringen. Dann beginnen die Finger von selber zu spielen. Und dann erst ist es auch ein SPIEL. Und nicht ein leeres Gemache!

Und wenn es ein SPIEL ist, dann verschwindet die Zeit, sie verschwindet wie in einem Gespräch zwischen Freunden. Da muss man auch nicht üben zu reden. Man hört zu und es redet. Deshalb ist dann die Ewigkeit und der Messias, die Freude anwesend.

Du hast wohl immer noch das Gefühl, die Musik von Mozart sei ein Konstrukt. Nein, es ist ein Spiel!

Das ist der Unterschied zwischen Saul und David. Der Saul übt. Der David spielt einfach.

Ich will ja damit nicht sagen, der Saul sei ein Trottel. Nein, im Gegenteil. Ich wünsche ihm nichts mehr - und ich kenne meinen Saul sehr persönlich - dass er einfach spielen könnte. Und aus dem Leid dann ein Lied würde. Aber Du hast insofern Recht dass man sich um David keine Sorgen machen muss. Um Saul hingegen schon. 

Das Kind will nicht üben, es will spielen. Wenn es üben muss, wird es ihm übel.

„Sind wir gegenüber dem Schöpferischen nicht immer nur Yin, empfangend, dadurch auch ordnend und sammelnd, im Gesetzmässigen uns bewegend?“

Ich würde das passiv sagen : Wir sind gegenüber dem Schöpferischen empfangend, und werden dadurch geordnet, gesammelt und in das Gesetzmässige bewegt.

„Also sind wir im Bewussten nicht immer nur Nefesh gegenüber der Neshama?“

Da weiss ich nicht recht, wie ich darauf antworten soll? Zustimmen kann ich diesem Satz nicht, weil das Bewusste vom Unbewussten gespiesen wird. Oder Besser: das Bewusste aus der Seite des Unbewussten genommen wird, damit sie sich begegenen können. (Adam und Eva) Verneinen kann ich das aber auch nicht, weil tatsächlich das Bewusste die erscheinende Seite des Unbewussten ist. Aber so, dass im Bewussten das Geheimnis des Unbewussten bewahrt und geschützt ist und umgekehrt.

Aber eigentlich: Ja.

Und nun zum Fleisch, das an den Knochen kommen muss.

Das Technische, gesetzmässige, billig Praktische will ich keineswegs ausschliessen. was aber heisst denn das: Üben? Was ist das? das Trainieren der Finger? Das kann es doch nicht sein, denn die Finger trainieren sich doch selber dadurch dass sie tun. Was aber gibt den Fingern Bescheid über die Richtigkeit ihres Tuns? Nicht die Finger, nein, das Ohr und Herz des Menschen. Die Finger können nicht hören, was sie spielen. Hören kann nur das Ohr und Herz des Menschen. So liegt also beides, das Hören des Spiels der Finger und das Gehör für die im Menschen ruhende Vorlage des Liedes im Herzen. Verglichen wird das Sinnlich erfahrbare des Tuns eines Liedes mit dem übersinnlich anwesenden eines Liedes. Beides geschieht im Herzen des Menschen. Es ist da ein Gespräch zwischen dem Hören von aussen und dem Hören von innen. Eine Begegnung, ein Spiel.

Für die Geschichte in Ludwigsburg habe ich mir nun  vorgenommen, genau das Thema abzuhandeln in der Gegenüberstellung von Natur und Geschichte. Es ist aber eine Geschichte, die versuchen soll diese Gegensätze zu verbinden, aber nicht aneinander festzunageln oder aneinanderzuketten mit einem Seil oder Nagel, sondern sie in der Bewegung des Menschen einander näher zu bringen.

Die Natur ist das, was David eigentlich ist. Der Vogel pfeift. Er muss nicht üben. Und er pfeift unübertroffen schön und seiner Eigenart wahrhaftig Ausdruck gebend, unverfälscht, ehrlich.  Ein Kind ist unverstellt, äusserst sich direkt und eigentlich unreflektiert. In der Natur gibt es nur Gegenwart.

Doch der Mensch erlebt nun noch etwas ganz anderes: Seine Geschichtlichkeit: (Schamgefühl-Vertreibung aus dem Paradies) Werden und vergehen, Kausalität und Widerspruch gegen diese. Gnade und Gesetz. Durch sein Bewusstsein wird er zum -wie Nietzsche sagte - nicht fest gestellten Tier. Denn jedes Tier ist unausweichlich behaftet auf seine Eigenart, unfrei. Der Mensch aber scheint zwar irgendwie behaftet auf seine Eigenart aber dennoch frei, und eigentlich nur frei sich zu verstellen. Und dazu noch ausserstande festzustellen, ob er nun sich ist, oder noch nicht.

Ich versuch also mit der Wandtafel in der Blindenschule den Weg zu beschreiben von der unmittelbaren Gegenwärtigkeit seines Lebenstraumes  zur geschichtlichen Bewusstwerdung der Welt, in die dieser Traum vom Eigenen gestellt ist.

Time out

Daniel

 
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