Daniel Ambühl  Bildweg  Greifswald  Dokumente

 

Identität
  Die Suche des einzelnen Menschen nach seiner Identität ist bedroht durch seine Wunschvorstellungen von Identität. Diese Absichten - das Wollen einer vom Menschen sich selbst bestimmten Identität - sind in schmerzhaften Phasen der Identitätsssuche eine Art von Schmerzmittel. Die Vorstellung besitzt Eigenschaften eines Betäubungsmittels für die Sinne, die doch eigentlich der Wirklichkeit und der Wahrheit begegnen möchten. Die Sinne sind schon so geschärft, dass sie wahrhaft erkennen. Das Bewusstsein kann das Geschaute aber noch nicht annehmen. Es weigert sich. Es leidet unter der Enttäuschung eigener Vorstellung. Das Bewusstsein kann sich aber gegen die bessere Einsicht der Erkenntnis nur wehren, indem es sich taub stellt, betäubt. Schliesslich kann es sich mit einem allgemeinen Vorstellung von Identität verbünden und drängt dann zu Gruppen und Verbänden, die eine allgemeine Identität postulieren, und diese gemeinsam gegen die Erkenntnis der Wirklichkeit, die sie grundsätzlich bestreitet, ins Feld führt.

Diese Vorgänge spielen sich in aller Schärfe in der Pubertät ab, im Übergang vom Weltbild der Kindheit und Jugend, die noch weitgehend in einem Raum lebt, in dem alle Möglichkeiten offen stehen, weil sie noch nicht mit Entschiedenheit im Einzelnen ergriffen wurden, und in welchem der Gang der Zeit noch kaum Attribute des Vergänglichen und des Untergangs besitzt, oder wenn, dann als vorübergehende Störungen der Einlösung eines grossartigen Versprechens: "Ich bin frei. Alles ist möglich". Doch mit zunehmenden Alter verstärken sich die Widersprüche. Und es scheint gar, dass dieses Versprechen als Lüge erscheint. Dass der Mensch nicht nur bestimmt, sondern wesentlich bestimmt ist, ist dann oft ein Ärgernis. Denn diese Bestimmtheit scheint die Freiheit des Menschen einzuschränken.

Die Jugend ist ganz nahe zur Romantik. Deshalb ist die Romantik auch die eigentlich erste grosse Jugendkultur. Sie ist vergleichbar mit der Bewegung der 68-er, deren Schicksal der Kurzlebigkeit ihrer Ideale sie teilt, nämlich, in kürzester Zeit ihre tief empfundenen Anfänge in einem modischen, politisch und gesellschaftlich opportunen Gehabe des Zweckmässigen zu versenken.