Daniel Ambühl  Bildweg  Greifswald  Dokumente

 

Die Aura
  Das, was wir heute "Aura" nennen, kann von zwei Seiten betrachtet werden.

Einerseits als ein Aufleuchten des Wesens eines Gegenstandes, als Offenbarung, momenthaft, und nicht reproduzierbar. Die Aura ist in der Begegnung zwischen Objekt und Subjekt ein privates Geschenk an die Erfahrung des Subjektes. Die Schau der Aura ist nicht das Verdienst des Schauenden und kann in seinem Tun nicht begründet werden. Das Geschehen der Enthüllung des innersten Wesens eines Gegenstandes wird in dieser Sichtweise als das Erlebnis einer Gnade erfahren, die das Gesetz der Verborgenheit des Geheimnisses durchbricht und damit die Dualität zwischen erscheinender Oberfläche und verborgenem Wesensgrund aufhebt. Diese Schau der Aura ist eine Persönliche. Ihre Erfahrung wiederum eine Verborgenheit. Unaussprechbar, unerklärbar. Es scheint, dass diese Erleuchtung dem einzelnen Menschen, seinem einzigartigen Leben zugedacht ist und dass dieser Mensch seine Erleuchtung durch die Aura des Gegenstandes nicht weitergeben kann. Das Erlebnis der Offenbarung des Gegenstandes in seiner Aura, bringt dem Schauenden eine Wendung. Dieser Wandel bezieht sich manchmal lediglich auf die Handhabung des Gegenstandes, manchmal aber auch auf die ganze Haltung gegenüber den Erscheinungen der Welt. Die körperlichen, vergänglichen Dinge werden als Schutz und Ummantelung eines ewigen Kerns geschaut. Die Seele steckt im Körper. Dass die Seele sich offenbaren kann, verdankt sie einer numinosen Macht: dem Zufall, Gott, dem Nichts, dem Chaos. Diese Sichtweise tendiert dahin, den Körper wesentlich zu bedenken.

 Die diametral andere Denkweise beschreibt die Aura als ein stets vorhandenes ätherisches Kleid jedes Gegenstandes, einer Wesenshülle gleich, unter welcher die physischen Eigenschaften des Gegenstandes scheinbar offen liegen. Diese Aura ist nicht unstofflich sondern - um die Terminologie der Esoterik zu übernehmen, die diesen Standpunkt exemplarisch vertritt - "feinstofflich", was bedeuten will, dass die Aura durch die Verfeinerung der Sinne des Subjektes plötzlich als physische Erscheinung wahrgenommen und auch behandelt werden kann. Das Erlebnis der Aura ist also reproduzierbar, ein Verdienst des Tuns des Subjektes. Diese Aura ist daher unpersönlich, also allgemein zugänglich und ihr Erlebnis kann von Eingeweihten an andere Menschen weitergegeben, ja sogar vor Publikum veranstaltet werden. Die Wandlung, die dieses Erlebnis der Aura im Einzelnen bewirkt, ist manchmal nur auf die Technik der Schau der Aura bezogen, manchmal aber auch auf die ganze Haltung gegenüber den Erscheinungen der Welt. Das ewige Wesen eines Gegenstandes wird, in übersinnlicher oder feinstofflicher Schau, als Schutz und Ummantelung eines vergänglichen, körperlichen Kernes erlebt. Der Körper steckt in der Seele. Dass sich die Seele offenbaren kann, verdankt sie dem "rechten" Tun des Betrachters. Das Numinose wird damit zu einer das "Rechtsein" des Menschen prüfenden Eigenschaft seines Tuns. "Rechtes" Tun bestätigt sich in der Erscheinung der Aura. Diese Sichtweise tendiert dahin, das Wesentliche körperlich zu behandeln.