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Kleine Geschichte des Bildwegs
 

Die Idee des Bildwegs entstand 1994/1995 in Berlin, bei den Vorbereitungen zur Ausstellung „Kulturschaft“ in Ascona. Daniel Ambühl war im Sommer 1994 nach Berlin gezogen und hatte an der Strelitzer Strasse 21 in Berlin Mitte zusammen mit seiner Frau Azita die untersten beiden Stockwerke eines Hauses aus der Gründerzeit renoviert, den erste Stock als Wohnung, das Erdgeschoss als Atelier. Das Haus befand sich im Herzen Berlins 50 Meter vom früherer Grenzstreifen entfernt. Im Winter 1994/95 lud Ambühl seinen Freund , den Dichter Thomas Primas nach Berlin ein, um eine Erzählung zum Buch „Das Fischgericht“ zu schreiben. Im Hause Strelitzer Strasse 21 wohnte noch seit DDR-Zeiten der marxistischen Philosoph Sven Herzig mit seiner Familie. Viele Nächte lang sassen Ambühl, Primas und Herzog zusammen und rangen um ein gemeinsames Verständnis.

Das Buchunikat „Das Fischgericht“ stand in verschiedener Hinsicht Pate für das Bildweg-Projekt. Es war im Stil eines mittelalterlichen Codex in reiner Handarbeit geschaffen worden, und wurde in Ascona erstmals ausgestellt. In der Auseinandersetzung mit den Begriffen von Kultur, Erinnerung und Echtheit im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit war geplant, das Buch so auszustellen, dass sich der Interessierte auf das Buch zubewegen, es „suchen“ müsste. Eine technische Vorstudie zum Bildweg stellten zehn Abriebe von Holzplatten dar, welche Daniel Ambühl in Berlin für die Zeitschrift „Forum“ schuf und ein bisher nicht veröffentlichtes Buch mit dem Titel „Die Freundschaft“ dessen Text von Thomas Primas Ambühl in der Form einer sich von Kapitel zu Kapitel summierenden Originalgraphik komponierte. 

In einem Versuch, begriffliches Denken, Poesie und bildende Kunst in einem Kunstwerk für die ganze Bevölkerung zusammenzufassen, erfand Ambühl den Bildweg: Essay eines demokratischen Kunstwerks, das die Komplizenschaft zwischen Künstler und aktivem Teilnehmer zum Kunstwerk erklärt. Der Bildweg war von Anfang an als Publikumsaktion konzipiert, und wurde erstmals für die Ausstellung Kulturschaft in Ascona realisiert. Die „Bildsäulen“, auf denen die kupfernen Platten befestigt sind, sowie die Abreibvorrichtung hatte bereits In Ascona die heutige Form. Inhaltlich aber unterschied sich der erste Bildweg von späteren Kompositionen wesentlich dadurch, dass die Bildplatten aus Kupfer eigentlich noch reine Hochdruckplatten waren, deren abgedruckte Summe zu einer Art „Rauschen“ führte und dem Bildgänger die Erinnerung an die Bilder der einzelnen Stationen überliessen. Im Zentrum standen noch die Orte, an denen die Bildsäulen aufgestellt wurden und die Sujets der Einzelbilder. Auf das Schlussbild wurde kein Gewicht gelegt,. Die zweite Aufführung des Bikldwegs fand 1996 in Berlin statt. Auch bei dieser Aufführung, die im Rahmen von „Kunstmitte“, einer Veranstaltung des Kulturamtes von Berlin Mitte zur Dokumentation der vergänglichen Pionier-Kunstszene in Mitte, lag das Hauptgewicht wiederum auf den Aufstellungsorten der Bildsäulen, dagegen sammelten sich in Berlin nun die einzelnen ungegenständlichen Bildplattensujets zu einem figurativen Schlussbild.

Erst 1997 in Zürich wurde der Bildweg auf Grund der Beobachtungen und Erfahrungen  von Ascona und Berlin in eine neue inhaltliche Form gebracht: Einzelbilder an jeder Station, von denen sich gewisse Linien zu einem wiederum figurativen Schlussbild sammeln; dazu ein Begleithaft, welches die einzelnen Stationen beschriebt. Seit Zürich 1997 ist der Bildweg in der Form der Fuge. Auch das Format der Bildplatten änderte sich. Während die Bildwege in Ascona und Berlin noch auf einem A4 Blatt basierten, bestand der Bildweg seit 1997 ( mit Ausnahme von Baden und Ybrig ,die noch die Bildsäulen von Ascona verwendeten) aus dem Spezialformt 223 * 260 mm für die Bildplatte und 29,5 * 385mm für das Abzugsblatt.

Bis zu den Zürcher „Wegen der Heimat“ von 1998 arbeitete Ambühl im Textbereich des Bildwegs mit Thomas Primas zusammen. Seit dem Bildweg Braunschweig schreibt Ambühl auch die Geschichten des Bildwegs selber und seither auch ausschliesslich in der Form von Erzählungen, während zuvor das Begleitheft zu den Bildwegen jeweils ein Essay über die Fuge der bildlich dargestellten Begriffe war. Eine Mischform stellte der Bildweg in Braunschweig deshalb dar, weil Thomas Primas eine Essay zur Figur Till Eulenspiegels beitrug und Ambühl neben der Erzählung „Till Eulenspiegels Hochzeit“ noch ein Essay über das Schlussbild verfasste, in welchem die Fuge der Bildelemente begrifflich dargelegt wurde.

Seit dem Bildweg Greifswald sind Dokumente, die die Zusammenhänge der Geschichte in begrifflicher Sicht aufhellen, im Dokumentationsteil der Homepage www.bildweg.ch enthalten. Auch alle vergriffenen Hefte zu den Bildwegen sind in der Homepage integral publiziert. Von Anfang an bestanden die Druckplatten aus geätzten Kupferplatten. Die Technik der Ätzung wurde von Mal zu Mal verfeinert, und seit Ybrig sind die Bildplatten nicht nur geätzt sondern auch nach der Ätzung mit Fräsern und Polierern nachbearbietet, um die Sujets der Einzelplatten deutlicher hervorzuheben. Schematische Darstellungen der Einzelbilder finden sich in den meisten Begleitheften des Bildwegs. Seit der Erfindung des Bildwegs ist keine Originalgraphik von Daniel Ambühl mehr erschienen.  Der Bildweg ersetzt seither in Ambühls Werk die klassiche Form der originalen Kunstreproduktion. Tausende haben bisher auf Bildwegen ihren eigenen Abzug einer Komposition von Daniel Ambühl hergestellt. Geblieben ist von der Originalgraphik allerdings die Nummerierung der Abzugsblätter.

Zum Grundkonzept des Bildwegs gehört ferner die Befristung der Aufführung. Ambühl beschäftigte sich verschiedentlich mit der Problematik der Kunst im öffentlichen Raum in der Demokratie und kam zum Schluss, dass der Staat und der Künstler die Aufstellung von Kunstwerken befristen sollten, um nicht späteren Generationen Hindernisse zur künstlerischen Darstellung ihrer Weltschau in den Raum zu stellen. Ein Manifest in diese Richtung verfasste Ambühl 1993 unter dem Titel „Kulturknall“. Fünf Bildwege, die in Zürich stattfanden, sollten eine der Möglichkeiten aufzeigen, Kunst im öffentlichen Raum ohne Ewigkeitsanspruch anzubieten.

Schliesslich sei noch auf den radikalen Kunstbegriff von Daniel Ambühl hingewiesen, der in vielen - meist aber noch unveröffentlichten - Texten und Essays zum Ausdruck kommt. Kunst ist nach Ambühl wesentlich Annahme und Behauptung. Wir wissen nicht, was Kunst ist. Ambühl definiert die Kunst als „Empfänglichkeit“, als eine passive, zulassende Fähigkeit jedes Menschen, als mütterliche, weibliche Seite des Denkens. Schöpferisch ist, wer empfänglich ist, während Kreativität eine aktive Tätigkeit des Menschen bedeutet, die dem Empfangenen Form gibt. Ob etwas aber ein Werk der Kunst sei, kann niemand wissen. Die Kunst und daher auch das Kunstwerk sei eine persönliche Annahme und Behauptung des Betrachters, wenngleich in der Realität natürlich starke ideologische Markt- und Machtmechanismen in die Richtung tätig sind, den Begriff der Kunst zur instinktiven Durchsetzung ureigener Absichten allgemein zu postulieren und ihn den eigenen Zwecken dienstbar zu machen. Dies beeinträchtigt allerdings die Kunst selber nicht, da sie ihrem Wesen nach nicht machbar ist. Kunst ist der Gegenpol zu Macht.

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Die Form des Bildwegs
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