Daniel Ambühl  Bildweg  Greifswald  Dokumente

 

Wandlung in der Romantik
  Die Romantik bebildert im Menschen eine Wandlung, die mit Schmerz verbunden ist. Sie markiert den schmerzhaften Übergang vom Schöpfer zum Geschöpf. Das Selbstbewusstsein der schöpferischen Kraft schwindet und es stellt sich ein Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber einem Schöpfer ein. Der Schmerz dieser Wandlung führt zunächst zur Anklage. Dem Schöpfer gegenüber erhebt sich anklagend die Not und der Schmerz des Daseins in einer sinnlosen Vergänglichkeit des Materiellen. Der Mensch empfindet sich als Geschöpf eines unergründlichen Schöpfers. Er ist aber in dieser Stimmung nicht alleine. Die Natur teilt sie mit ihm. Dadurch entsteht eine Solidarität mit dem Natürlichen, den Geschöpfen des Schöpfers. Der Mensch macht sich zum Anwalt einer duldsamen und schweigend hingegebenen Natur. Die Romantik ist Ausdruck des Abschiedsschmerzes vom Weltbild einer schöpferischen Identität des Menschen und hält deshalb dem vermeintlich Konstruktiven des Schöpfers nun seine destruktive Seite vor: Das sprachlose, passive Leid des Geschöpfes, seine gnadenlose Vergänglichkeit, seinen Untergang und die Untröstlichkeit des Menschen in seinem Verfall. Die Nutzlosigkeit des Individuums.

Biografisch ist die Romantik im Leben des Menschen im Übergang von Phasen des aktiven, bestimmenden Handelns zu passiv erduldetem Geschehen zu finden. Im Alltag ist es die Phase zwischen Tageswerk und Nachtruhe. In den Lebensaltern ist die Romantik die Zeit der Wandlung des Menschen zwischen Arbeit und Pensionierung. Oder zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit. Politisch zwischen bestimmender Teilnahme und Verlust der Stimme. Im Nationalen Geschehen zwischen Selbstbestimmung und Knechtschaft unter fremden Herren. Immer aber in Richtung eines Verlustes.

Deshalb rührt sich nirgends mehr als in den romantischen Phasen der Widerstand der Revolution, die nun etwas ganz anderes will, als die leicht vorauszuahnende Versenkung in die Belanglosigkeit und in den schon mit Wracks gesunkener Hoffnungen überfüllten Wartsaal der Geschichte.

Romantik ist die Dämmerung des Abends. Schlaflose Nacht. Der Mond steht für die sentimentale Erinnerung an das Licht der Sonne, das er nur empfängt, nicht ist. Er reflektiert noch das Licht des Schöpfers. Ist aber selber dunkel, bedürftig nach dem Licht. Romantik meint: Solidarität mit dem Mond, dem Empfänglichen, Schwachen, der Kreatur, die nur glänzen kann von Gnaden des Lichtes, das auf sie fällt.

Musse und Kreativität.

Doch nun öffnet sich ein seltsamer Wandel der Stimmung. Denn einzig in dieser Phase , die ich die romantische nennen möchte, könnte plötzlich, wenn sich der Mensch in sie hingibt, aufscheinen, dass er erstmals angesprochen wird vom Schöpfer, angeleuchtet eben.

Stören kann nur der Wille zum Schöpferischen, der Ersatz des unmittelbar schöpferischen ruhenden Daseins durch eine Struktur willentlich geleisteten Schöpfertums, der Kreativität. Das ist die andere Seite der Romantik, diejenige, die die Depression des verbissenenen Geltunsgwillens abgestreift hat. Das Glück des Beschenktseins als Kreatur. Das Glück der Vergänglichkeit. Der Trost der Natur. Und eine nur kurz aufblitzende Einsicht in ein Gefüge des Daseins, das den Verlust der Kreativität nicht nur tröstet, sondern diese gar neu weckt. Der anstossende Funke zu neuem, verwandeltem Handeln schlägt. Die Erscheinung des Lichts der Schöpfung Gottes empfängt, wie der Mond und damit gar in die Nacht ein Licht bringt, was die Sonne nicht vermöchte. Gott ist schwach, er erreicht die Nacht nicht mit seinem Licht. Er bedarf des Menschen, der sein Licht empfängt und gleich einem Mond in die Nacht leuchten lässt, sein Licht solange in die Nacht hinein trägt, bis es wieder Morgen wird.

Die Romantik erzählt Geschichten von den dunklen, ungewissen Übergängen zwischen Tag und Tag. Sie erzählen von dem kleinen Streifen Brachland an der Grenze zwischen den Nationen. Nie ist es das bebaute Land, das die Romantiker beschäftigt, nicht das Pathos des schaffenden Bauern. Die urtümliche, sich selbst überlassene Natur ist ihr Thema. Denn darin erkennt sich der Romantiker als der, der sich in der Nacht, im Winter, im ungewissen Übergang zum Neuen hin, selbst überlassen ist. Von der Dämmerung zwischen den Hoheitsgebieten von Tag und Nacht handeln die Geschichten der Romantik. Vom Leben auf dem Todesstreifen erzählt sie Geschichten. Vom leeren Raum zwischen Buchstaben, Worten, Sätzen. Vom Abgrund, dem unüberwindbar scheinenden Bruch zwischen den sich Liebenden. Von der Haut, die Innen und Aussen sowohl trennt als auch schützt. Sie erzählt Geschichten von blauen Blumen, da doch in der Nacht alle Blumen blau sind, und dadurch das Gemeinsame der Blumen hervortritt, das Abstrakte, das im Verborgenen Zusammenhang stiftet. Es sind abstrakte Geschichten, die in der Romantik erzählt werden. Märchen also, weggezogen aus Zeit und Raum, und deshalb immer und überall gültig. Sie trösten die Angst vor dem Übergang in die Nacht, vor der Angst, müde und schwach und passiv zu sein. Die Romantik schafft keine Identität. Sie empfängt diese aber.