Daniel Ambühl  Bildweg  Greifswald  Dokumente

 

Der Baum bei Caspar David Friedrich (Textskizze)
  Der Baum ist eine Metapher für das Leben und den Lebensweg des Menschen. In ihm wird unsere eigene Lebenslinie sichtbar und die Art, wie wir in unserer Zeit und in unserer Welt einen Raum einnehmen. Sein Wuchs ist im Winter in der Form seines Gerippes, seines Skelettes anschaulich. Die Fülle der sommerlichen Blätter verhüllen dieses verborgene Gerüst des Lebensweges unter einem weiten Kleid voller Säfte und einem den Wellen des Meeres gleichen Rauschen. Dagegen geht der Blick im Winter auf das Innere Gerüst, auf die Wege des Wachstums, auf die Lebensadern, die Verknorrungen der Äste, auf die Widerstände, die dem Wachsen einen Kampf abverlangen, den Siegen und Verlusten ingesamt aber auf ein Bild für die Durchströmung des Raumes, den der Baum einnimmt gleichsam mit den Herzkranzgefässen seiner Äste und Zweige.

So auch in Momenten des zurückgezogenen Menschen, des Menschen, der sich aus dem Rausch der Fülle äusserlichen Lebens in die winterliche Einsamkeit zurückzieht. Die Säfte des sommerlichen Lebens der Fülle haben sich dann in den Schutz des harten Stammes und in die Starrheit und manchmal fast fratzenartige Gestik der Aeste, aber auch in die im Boden verborgenen Wurzeln zurückgezogen.

Das Immergrüne des Christbaumes, gegenüber den saisonalen Kleiderwechseln der Laubbäume: Es frage sich jeder, ob er eher ein Laubbbaum sei, d. h.in seinen Lebensphasen abhängig von den saisonalen Umständen der Zeit, oder eine Tanne, die in allen Situationen ihr Kleid behält und nie schutzlos wird. In Caspar David Friedrichs Bildern umstehen oft Tannen die Kreuze.

Der Grundcharakter der Tanne ist ihr gerader und von der strengen Vertikale des Stamm beherrschter Wuchs. Alles bleibt bezogen auf die senkrechte Gerade, die vom Boden in den Himmel zeigt. Der Stamm ist der Nabel, um den sich alles weitere Wachsen dreht. Die Äste sind klar zu unterscheiden vom Stamm. Sie sind ihm hierarchisch untergeordnet und wachsen radial vom Stamm weg, horizontal. Die ersten, ältesten Äste bleiben unten. Sie vermögen nicht die Bewegung des Stammes zu übernehmen und auch in die Höhe zu wachsen, oft sind sie sogar nach unten gebogen, vom Gewicht ihres ausladenden Wuchses. Das Wachstum geschieht in strengen Stufen. Die Übergänge zwischen Stamm und Ast sind eindeutig. Die Übergänge von den benadelten Ästchen zum Ast auch. Niemals kann bei der Tanne aus einem Ast ein Stamm hervorgehen. Wird eine Tanne vom Blitz getroffen oder vom Wind geknickt, dann kann der Stamm nicht mehr ersetzt werden. Kein Ast nicht einmal der stärkste Ast kann wieder Stamm werden, weil er immer durch sein horizontales Herausragen als Ast erkenntlich bleibt. Der neue Stamm treibt als Ast aus dem Stamm aus. Meist aber treiben gleich mehrere Äste aus dem geknickten Stamm aus, die wieder Stämme sein möchten. Die Spitze einer geknickten Tanne gleicht deshalb oft einem Besen. Dass die Tanne als christliches Symbol gilt, hat nicht nur mit ihrem immergrünen Kleid zu tun, sondern auch damit, dass durch die Formel: "Vertikaler Stamm und waagrechte Äste" sich manchmal zu oberst auf der Spitze einer Tanne ein gut sichtbares Kreuz ausbildet, wie auf einer Kirchturmspitze. Es gibt keine Metapher die nicht das, wofür sie steht, schon auch ist. Tanne ist auch: Dreieckige, konische Gestalt eines Pfeiles der nach oben zeigt. Bei der intakten Tanne ist ihr höchster Punkt immer eindeutig die Spitze des Stammes. Motivisch kehrt die strenge symmetrische Wachstumsstruktur der Tanne wieder im Bild der steil aufragenden gotischen Kirchtürme und auch in den Masten der Schiffe.

Bei den Laubbäumen sind die Hierarchien von Stamm und Ästen mit zunehmendem Wuchs aufgehoben. Äste können sowohl horizontal wachsen, als auch den Aufschwung des Stammes übernehmen und selber zum Stamm werden. Stämme können sich aufteilen und immer weiter verästeln. Fast übergangsslos verfeinern sich bei den Laubbäumen die Äste. Oft beobachtet man an freistehenden Laubbäumen, dass sie in ihrer ganzen Erscheinung den Wuchs ihres Blattes nachahmen oder umgekehrt. Das Zentrum und die Spitze des Wachstums ist, je weiter man zur Krone des Laubbaumes kommt, nicht mehr ersichtlich. Ein kleines Ästchen kann die Spitze, den höchsten Punkt des ganzen Baumes bilden. Kreisförmige, sphärische Gestalt.

In den Bilder von CDF sind Laubbäume in drei thematischen Zuständen auf.

1. Das Ineinanderragen der Kronen, durch welches die kahlen Äste in der Form eines Geflechtes oder Zaunes sichtbar sind. In dieser Darstellung erwecken sie den Eindruck von Zuneigung, Gemeinschaft, aber auch den eines undurchdringlichen und unüberwindbaren Hindernisses. (Kirchhofseingang,1822, Hügel und Bruchacker bei Dresden, 1824, Friedhof im Schnee, 1826)

2. als vereinzelte, greisenhafte Zeugen eines heroischen Wachstums zumeist in der Gestalt von Eichen (Hünengrab im Schnee, 1807, Abtei im Eichwald, Klosterfriedhof im Schnee, 1817, Einsamer Baum, 1822, Eichbaum im Schnee, 1829, )

3. belaubt im Sommer als Dächer, als Schutzschirme der Baumkronen (sowohl Kiefern als auch Laubbäume).

Das Gewucher der Bäume in den Ruinen löst die Formen der Gebäudereste auf und erweckt den Eindruck, dass sich niemand um die alten Denkmäler kümmert. Verlassensheit.

Als drittes Beispiel könnten wir zum Beispiel noch die Latschenkiefer betrachten, die an steilen Abhängen in den Bergen wächst. Ihr Stamm wächst dem Boden entlang. Die Äste, die aus ihm hervorgehen, wachsen ebenfalls dem Abhang zu und sind elastisch, wie aus Gummi. Lastet Schnee auf ihnen, sind sie ganz zu Boden gepresst. Lawinen brausen über sie hinweg, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Ist der Schnee getaut, dann federn die Äste vom Boden weg und die Spitzen der Aeste drehen sich in die Vertikale. Übergänge zwischen Stamm und Ästen sind kaum auszumachen. Die Nadeln aber stehen wie Borsten von den Ästen ab.

In der Auslegung der Werke von Caspar David Friedrich ist mancherorts davon die Rede, dass gewisse Bäume, Christen darstellten, andere Bäume Bürger, wieder andere Bäume den Künstler selbst mit seiner Familie. Es sind wohl interessante Ausgangspunkte für eine Betrachtung des Baumes als Lebenssymbol, wie auch Banalitäten, wenn man z.B. feststellt, dass die Weide auf seiten des jungen Paares am Friedhofseingang die Trauer darstelle. Wenn es bei solchen eindeutigen Zuweisungen bleibt, ist gerade dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass Friedrich die Eindeutigkeiten des Symbolismus in seiner Naturbetrachtung aufhebt, die Natur vieldeutig, mehrdeutig macht und den Menschen zur Frage heranführt: Was heisst denn Christ, Bürger, Trauer, Vergänglichkeit, Ruine, Kloster, Mönch, Meer. Was ist das? In der Mehrdeutigkeit liegt in Offenheit eine Frage vor uns, die nach dem Gespräch sucht, Begegnung begehrt, und einen Weg der Erfahrung und des Erlebnisses möglich macht. Nicht aber um einfach Recht zu haben. Das Eindeutige ist tot, verschlossen: Eine Lüge. Auch ist es nicht damit getan bei jeder Frage immer auf anderes zu verweisen, auf die alten Meister und Philosphen, die schon viel Gescheites über CDF gesagt haben. Wenn wir die Frage der Gegenwärtigkeit dieses Stadtsohnes in seinen Werken ernst nehmen, dann müssen wir selber wieder eine Antwort suchen. Wir könnten dann das viele Gescheite das schon gesagt wurde hineinnehmen in unserer Gegenwart. Hier und Jetzt. Vielleicht tönen diese Antworten anders als diejenigen früherer Zeiten. Nicht so gescheit. Sie sind vielleicht falsch, sie sind vielleicht richtig. Es sind dann aber wenigstens unsere Antworten. Der Schmerz des Ungewissen, des Scheiterns und der Vorläufigkeit des Antwortens ist dann aber immer schon mitgegeben. Das Antworten beseitigt das Fragen nicht. Sie gehören in Ewigkeit zusammen. Aber was ist denn nun schon wieder die Ewigkeit?

Der Baum ist männlich, ein Mann. Die Tanne ist aber weiblich, eine Frau. Weshalb ist das so? Weshalb ist die abstrakte, alle Bäume umfassende Idee des Baumes, männlich, eben "DER Baum" und weshalb sind die meisten bestimmten Arten der Bäume weiblich: Die Birke, die Erle, die Eiche, die Tanne, die Föhre, die Kiefer, die Linde. Dies sind nun Fragen die wir uns nur in der deutschen Sprache, in unserer Sprache so stellen können, denn zum Beispiel im Amerikanischen gibt es diese geschlechtspezifischen Eigenschaften der Dinge nicht, respektive, sie erscheinen da nicht festgelegt. Oak kann eine Frau wie auch ein Mann sein. Tree ebenfalls. Dass im angloamerikanischen Sprachraum denn auch oft die Prinzipien von Mann und Frau, männlich und weiblich, durcheinander geraten, oder ausser Acht gelassen werden, liegt als Gefahr in der angloamerikanischn Sprache, die dieses Prinzipielle offen lässt. Ich habe hier Gefahr gesagt. Ich hätte auch Freiheit sagen können. Abendländisches Denken ist wesentlich geprägt von der Unterscheidung zwischen männlich und weiblich, Verborgenem und Materiellem, Geheimnis und Erscheinung und daher auch vom Heiligen, dem beide angehören, der Aufhebung des Paradoxen, der Offenbarung, oder der Aura, wie das heute postpostmodern heisst. Ich werde dann später noch auf dieses Modewort zurückkommen.

Wir wissen aber nicht, ob wir noch abendländisch empfinden. Bestimmt hat es aber nichts damit zun tun, dass jeder Mann ein geistiges Wesen ist und jede Frau ein materielles Wesen. Jeder Mann erscheint hier materiell, hat also als Mann eine weibliche Erscheinung. Die Frau aber besitzt genauso wie jeder Mann auch, eine verborgene Seite, birgt das Geheimnis ihres Daseins und Soseins. Der Baum steht demnach für das Prinzip des Lebens, die Bäume aber für bestimmte Erscheinungsformen des Lebens.

Der Himmel, die Erde. Das sind alles Annahmen. Der Anspruch, sie verstehen und begreifen zu wollen, auch der Anspruch Beweise für ihre allgemeine Gültigkeit zu besitzen, kann nicht an der Äusserungen festgemacht werden. Geäussert wird doch immer nur Inneres, wenn wir vom verbreiteten Sonderfall des Nachplapperns nun einmal absehen. Verstanden und begriffen werden alle Äusserungen im Verborgenen. Wir sagen dem auch "Empfindung". Empfindung kann aber auch die Empfindung sein, dass etwas Böse ist und etwas Falsches geäussert wurde.

Der Berg. Die Sonne (ganz anderes Empfinden und Verhältnis zur Sonne als in den lateinischen Sprachen. Italienisch, Spanisch, Französisch). Dass der Mond als Männlich empfunden wird ist eine Bedeutsamkeit der deutschen Sprache. Ebenso, dass die Sonne als weiblich betrachtet wird.

Seltsamerweise ist das dann wieder aufgelöst beim Der Tag und Die Nacht. Ist das alles Zufall? Bestimmt könnte man aus dieser Möglichkeit Geschichten zu erzählen über die Geheimnisse der Sprache auch ein knalliges esoterisches Buch fabrizieren:. Es würde uns zu erklären versuchen, dass der Ursprung des deutschen Antisemtismus in einem furchtbaren Fehler der deutschen Sprache bestünde, und in dem aus diesem Fehler hervorgegangenen Denken und Handeln. Der Fehler liege darin, dass im Deutschen Die Sonne weiblich ist und der Mond männlich. Dass also der Mond, der weitherum als das Prinzip des Weiblichen betrachtet wird, (Menstruation, Ebbe und Flut, Zeitgeber des Materiellen und Raum-zeitlichen,) im deutschen den Charakter des Sitzes einer geheimnisvollen Verborgenheit besitzt, daher auch der Deutsche vom Gefühl und den weiblichen Trieben beherrscht werde. Der Mond aber, als Metapher für die Reflexion (er leuchtet selber nicht, sondern reflektiert nur das Licht der auf ihn fallenden Sonne,) sei deshalb Schuld an der verstiegenen Vergeistlichung des deutschen Wesens und auch an der Verdüsterung und der Schwermut seines Wesens, da er den Tag als durch ein bloss äusserliches Licht beschienen in seinem Geiste misstrauisch erduldet, während in der Nacht die Welt wegen der Schwäche der Reflexion immer in einem verschwommenen und all ihrer Farbe beraubten Dämmerzustand versunken bleibe. Der Deutsche gehöre also zu den dunklen, depressiven, introvertierten Mondanbetern, die ihre Existenz als Traum haluzinieren, während die Hebräer und mit ihnen die Südländer und Franzosen zu den extrovertierten, freien und glücklichen Verehrern der Sonne gehörten, die sich hemmungslos und gedankenlos die Freuden des Lebens auf der Sonnenseite gönnen usw.... Das Wesen des Deutschen als Beleuchtungsproblem im Geiste.

Das Englische ist grundsätzlich liberal, weil es die Bindungen der Objekte an bestimmte Geschlechtspronomen nicht kennt. Oder anders herum gesagt, dass im Englischen Sprachraum das Ding nicht auf ein prinzipielles Geschlecht festgelegt ist. Das Ding ist dadurch befreit aus der Einordnung in die Rollen der Kategorien Männlich, Weiblich, Sächlich. Diese Liberalität im Denken ermöglicht es, das Ding anders wahrzunehmen. Dieses Anders beinhaltet zwei Pole: Liberalität kann sich äussern als Beliebigkeit, als ein Handeln, durch welches sich jedes Ding nach dem Willen dessen, der das Objekt gebraucht, zu richten hat. Das Objekt ist dann nicht mehr objektiv, sondern dem Subjekt unterworfen, also Subjekt des Subjektes. Das ist Barbarei. Denn wenn die Unterscheidung zwischen Verborgenem und Erscheiendem, Männlichem und weiblichem, Heiligem und Profanem einfach weggelassen wird, dann ist alles nur Sache.

Liberalität kann sich aber auch äussern als eine Verfeinerung und Kultivierung der Betrachtung eines Objektes, indem die Kategorien der Geschlechtlichkeit mitgedacht werden, und das Objekt als etwas in sich differnziertes erfahrbar wird.

Die Symmetrie ist bei CDF zuweilen geradezu brutal, sodass der Eindruck einer architektonischen Gestaltung der Landschaft entsteht und das Bild als ein peinliches Konstrukt erscheint. Heute würden wir sagen, diese Darstellung sei das Gegenteil von natürlich. (Kreuz im Gebirge, um 1812, Gebirgslandschaft mit Regenbogen, Gartenterasse 1811, aber auch Chasseur im Walde, Zwei Männer am Meer bei Mondaufgang, 1817, Stadt bei Mondaufgang (1817)) Auffallend ist, dass symmetrische Objekte oft auch mit der Symmetriachse des Bildraumes zusammengeführt werden. Selbst bei einem Bild wie Kreidefelsen auf Rügen ist die symmetrische Strenge frappant. Die Ränder des Abgrundes sind an den Bildrändern heraufgezogen, beidseitig glänzen die weissen Kreidefelsen und in Bildmitte öffnet sich der Abgrund zum Meer. Die Natur gerät in ein kompositorisches Kalkül. Schliesslich aber auch der Mensch (Frau vor der untergehenden Sonne 1818)

Die Eiche: Beschwörung heidnischer Urenergien. Ossian. Minderwertigkeitsgefühl des deutschen Volkes gegenüber der rasanten französischen Expansion. Trotz gegen das Aufklärerische. Der Trutz und Trotz und die Sturheit.

Gegenüber dem christlichen Motiv der Tanne steht der heidnische Baum der Eiche. Nie erscheinen Eichen und Tannen gemeinsam in einem Bild von CDF. In der romantischen Seele aber kreuzen sich die vertikale christliche Erlösungssehnsucht und die horizontale germanische Naturmystik. Wenn wir uns hier fragen würden, was wir denn nun mit dieser germanischen Naturmystik eigentlich meinen, müssten wir sagen, sie sei nur eine Form der Selbstdarstellung eines nationalistischen, deutschen Bürgertums. Wir könnten also die Eiche einmal weg von den Belehnungen aus ossianischem Mythologiekitsch auch einfach als das idealisierte Selbstverständnis des deutschen Bürgers sehen.

Die Frage, "Weshalb gerade die Eiche?" ist vielerorts besungen worden, wegen ihrer Zähigkeit, beherrschenden Grösse, der Härte und Unbeugsamkeit ihres Holzes. Sie steht aber auch für die Eigenheit des Germanischen und des Urdeutschen schlechthin, wobei zu Zeiten der Romantik gerade unklar war, was denn nun das Germanische eigentlich sei, besass es doch kaum mehr eine gelebte Kultur, sondern eben nur noch moosüberwachsene Hünengräber, deren Geschichten dem Bewusstsein nicht mehr, umsomehr aber einer fast beliebigen Phantasie zugänglich waren.

Die Eiche steht in einem Konkurrenzkampf gegen die Tanne, denkt man nur an das Bild des missionierenden Mönches, der vor den Augen der Germanen eine dieser heilige Eiche fällt, um die Kraft seiner neuen Religion zu demonstrieren. Naturmystik. Die Mischung zwischen Christentum und heidnisch-bürgerlichem Boden, auf welchem sie sich bewegt, ist dramatischer kaum darstellbar als in der Abtei im Eichwald. Die Szernerie ist ein Schlachtfeld. Ruinen des Klosters stehen Ruinen von Eichen gegenüber. Ein innerer Kampf zwischen den Idealen einer christlichen Gemeinschaft im Zeichen des Antihelden Christus und der bürgerlich-germanischen Heldenverehrung im Bilde der knorrigen Eichen, die die Ruine des Klosters an Höhe zumeist deutlich überragen. Beides aber im Zustand der Leblosigkeit, des Frostes, der Erstarrung. Die Mönche aber nicht in feierlicher Haltung sondern im Gestus von Totengräber oder Flüchtlingen. Alle Lebenssäfte sind aus der Szenerie entwichen. Düstere Erinnerungen an die Unterwerfung der Germanen unter den christlichen Glauben, scheinen hochzukommen. Der Kampf zwischen den Lichtern, Sonne und Mond hat beide ausgelöscht. Zurück bleibt eine fahle Dämmerung. Auch das Bild "Klosterfriedhof im Schnee" setzt die Szene auf eine Art Bühne. Der Grund zeigt keine Erhebung sondern nur trostlose unendliche Flachheit. Mehr noch als in einer Landschaft scheinen diese Szenen sich in der Stummheit des Wassers abzuspielen. Eichen und Ruinen liegen wie Teile eines Schiffswracks auf dem Meeresgrund.

Ganz anders wird der Junotempel in Agrigent dargestellt. Auch als Ruine steht er frei und erhaben auf einer Anhöhe. Er scheint intakt, ja unbestritten dazustehen. Nichts droht, seinen Platz einzunehmen. Der Ort an dem er steht ist unstrittig. Zerfallen, aber nicht überwuchert. Die Säulen stehen noch. Dieser Junotempel ist noch wirklich.

Wir sagten zuvor, dass in keinem Bilde CDF s die Eiche und die Tanne gemeinsam vorkämen. Sie kommen aber trotzdem gemeinsam vor, allerdings nicht als lebendige Bäume, sondern in Form des Holzes für die Schiffe, die ein weiteres Leitthema in den Werken CDFs bilden. Das Schiff besteht aus einem Mast aus Tannenholz und aus dem Rumpf aus Eichenplanken. Durch Menschenhand sind die Eiche und Tanne zu einem Schiff zusammengefügt, dem Symbol der Gemeinschaft, die an der Grenze zwischen Zeitlichem und Ewigem, zwischen Wasser und Himmel unterwegs ist. Im Bild "auf dem Segler,1818/19) kommt diese Metapher eindrücklich zur Geltung. Mann und Frau sind gemeinsam im Schiff der Ehegemeinschaft unterwegs und erblicken in der Ferne, am Ende der Zeit eine paradiesische Stadtsilhouette. Gemeinschaft heisst unterwegs zu sein. Der Tannenmast sammelt die Kräfte des Windes, der Bewegtheit des Himmels und bringt das schwere Gefährt aus Eichenplanken in Fahrt. Wiederum bildet hier die Eiche also das Fundament, den Körper und das Haus der Gemeinschaft, während die Tanne in den Himmel ragt und die geistigen Kräfte in den Segeln sammelt.

Die Betrachtung des Schiffes als Gefäss der Gemeinschaft ist ein christliches, sowohl neutestamentliches als aus alttestamentliches Bild. Im Neuen Testament findet es seinen Ausdruck im Bild des Fischzugs auf dem See Genezareth. Die Gemeinschaft der Jünger mit Jesus im Schiff gehen auf Fischfang. Menschenfischer zu sein bedeutet, den Menschen, der stumm und verloren im Zeitlichen des Wassers schwimmt (dargestellt im Bild des Fisches) in die Gemeinschaft zu heben, die im Schutz des Schiffes über das Zeitliche hinweggleitet. In der Sprache ist bemerkenswert dass Schiff rückwärts gelesen Fisch heisst. Darin könnte zum Ausdruck kommen dass der Mensch von zwei Seiten her betrachtet werden kann. Aus der Sicht seines Alleinseins, seiner Individualität: als Fisch; oder vom Standpunkt der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft: als Schiff.

Im alten Testament ist der Begriff des Schiffes mit dem Begriff des Ich sprachlich eng verbunden. Nun ist auch die Tragik der Klosterruinen und Eichenwälder wieder greifbarer. Es ist die Tragik des im Sturm oder im Feuer eines inneren Konfliktes (Brennendes Haus und gotische Kirche) untergegangenen oder in den Eisschollen zerdrückten Schiffes einer Gemeinschaft von germanischem (bürgerlichem) Körper und christlichem Geist.

Kirchenschiff

Der Berg

Die Tannen gehören dazu. Sie stehen selber mit ausgebreiteten Armen da als wollten sie die Bergpredigt halten. Die Schwangerschaft.

Der Nebel

Der Abgrund

Die Rückenfigur

Zu Recht ist erkannt worden, dass die Romantik weder eine eigene Architektur besitzt noch eine eigene Skulptur entwickeln konnte. Ihre Identität bezog sie aus der Sprache und aus der Musik. Romantik ist ganz und gar unpraktisch. Sie ist im Kerne empfänglich-passiv und aus der Distanz abwartend. Die Seelenlandschaften der Romantik liessen sich nicht materiell festhalten. Dazu war die Romantik zu sehr ungefasster Inhalt, der sich nach einer Fassung sehnte und nach einer Form suchte. Zunächst aber war sie einfach Schilderung eines seelischen Zustandes des Schmerzes, des Verlorenseins, der undurchschaubaren Macht des Gefühls und des Verlustes einer fest gefügten Gemeinschaft.

"Das höchste Verhältnis der Kunst zur Natur ist dadurch erreicht, dass sie diese zum Medium macht, die Seele in ihr zu versichtbaren." Schelling.

Natur galt dem Romantiker als Spiegel seiner Innenwelt und als Mittel zu geistiger Reflexion. Deshalb rückte der Romantiker den Mittelpunkt seiner Welt von der scheinbaren Tagesklarheit und Besonnenheit aufklärerischer Euphorie weg in die Verborgenheit, das Ungewisse des nächtlichen Nebels und in die Blauheit des Mondschein. Anstelle von vordergründigen, beredten, figurativen Szenen liess sie demonstrativ in distanzierten, fernen, Landschaften ein bedeutungsvolles Schweigen zu Worte kommen. Gegenüber der Gesellschaft besass die Romantik revolutionären Charakter, weil sie die Utopie einer Alternative zum Vorgegebenen hochhielt. Selbst wenn diese Utopie der vernünftigen Aufklärung gegenüberstand als unbegreifbare Verklärung und dabei erst noch als reaktionär empfunden wurde, da sie ihre Sehnsucht nach dem Neuen mit den Chiffern der Vergangenheit, oder besser mit Chiffern der Vergänglichkeit bebilderte.

Die Romantik ist im Kerne die bürgerliche Utopie einer verlorenen Gemeinschaft im Glauben. In einer revolutionären Bewegung ist sie der erste Impuls, der den Bruch mit der Realität erlebt, den Bruch offen lässt, ja noch weiter Distanz zur Realität schafft, durch welche schliesslich diese Realität kritisierbar wird. Durch diese Kritik wird aber die Romantik selber widerlegt, da ihre Idealbilder mit dem bürgerlichen Habitus im Verlauf der Kritik als immer unvereinbarer erschienen. Diese Enttäuschung ist aber dem Romantiker schon als Gewissheit mitgegeben. Die Ahnung der Unmöglichkeit seines Lebens liegt ihm nahe; aber ebensosehr die letztlich unwiderlegbare Hoffnung, es könne dennoch gelingen. Dass der Romantiker diesen Schmerz zur Sprache bringt, ins Bild setzt, und erklingen lässt, damit bewegt er die Herzen. Es ist eine Wahrhaftigkeit, die auf eine Lächerlichkeit des Menschen weist, die Stelle seiner Schwäche und Verwundbarkeit offenlegt. Radikal. Man täuscht sich in der Meinung, der Romantiker sei ein aus dem Unbewussten schöpfender schwelgender und antiintellektueller gefühlsduseliger Typ. Die Romantik ist gerade die Kunstepoche, da zum ersten mal der Künstler beginnt selbstkritisch über die Bedingungen seines künstlerischen Schaffens zu reflektieren über seine Rolle in der Gesellschaft, über seine sozialen Aufgaben und über Wirklichkeit und Wirkung seiner Werke. Schliesslich soll auch gesagt sein, dass ein Verhältnis, wie dasjenige zwischen einer traditionalistischen, konservativen, bürgerlicher Grundhaltung und einer christlichen Geisteshaltung sich nicht einfach überwinden lässt durch die Auslöschung eines der beiden Pole, sondern immer nur so, dass ihr Verhältnis neu gesetzt wird. Eine Problematik im Verhältnis zwischen Körper und Geist, die von der Seele registriert wird, oder sich als Krankheit äussert, kann weder durch die Auslöschung des Geistes noch durch die Auslöschung des Körpers gelöst werden. Im Allgemeinen heisst es, die Todessehnsucht, die in vielen Werken der Romantik zu Tage trete, sei Ausdruck der Entfremdung der menschlichen Seele in einem überkommenen Verhältnis zwischen Körper und Geist. Vielmehr als Todessehnsucht sind aber die Werke der Romantik die schlichte Feststellung, dass dieses Verhältnis gestorben ist, und dass die Seele darauf wartet, dass es gerichtet aufersteht.

Einer, der über dieses Verhältnis sein Leben lang im Schmerz der Offenhaltung einer zu tiefst romantischen Wunde nachgedacht hat ist Soren Kierkegaard.

Der Kunstbegriff der Romantik: Empfänglichkeit. Das Neue, das empfangen wurde ist aber noch verborgen. Es kann von der Subjektivität dessen, der dieses Neue trägt nicht verstanden werden. Es kann aber als eigener Besitz missgedeutet werden, respektive mit schon Daseiendem oder Vergangenem bemessen. Es ist aber etwas völlig neues und eigenständiges, so eigenständig dass es auch den bisherigen Lebensweg seines Trägers radikal in Frage stellt.

Dieses Neue ist gefährdet, denn es hat noch keine Sprache und könnte von seinem Träger zur Erfüllung seiner eigenen Zwecke und Vorstellungen missbraucht werden. Damit bliebe dieses Neue nur als leere äussere Hülle bestehen, nur als Abzeichen des Neuen, das sein wirkliches Inneres nicht in die Welt entfalten kann. Schon vor der Geburt würde es von seinen Vätern in den Dienst genommen. Die Empfänglichkeit beinhaltet aber auch die Möglichkeit der Hingabe an das Neue, womit sich der Träger verwandeln könnte. Diese Schwangerschaft im Geiste ist aufwühlend, weil sie nicht fassbar und nicht begreifbar ist. Der Charakter des Neuen liegt noch vollkommen im Dunkeln. Die Romantik berichtet eigentlich von einem mütterlichen, weiblichen Erlebnis, der Schwangerschaft, aber in der Dimension des Geistes.

Zu Beginn der Romantik steht die Feststellung dass zwischen der äusseren Welt, den Traditionen und existentiellen Gegebenheiten und den Geistewerten die man in sich trägt, ein Bruch aufgetreten ist. Dieser Bruch ist vielleicht in der äussern Welt noch nicht einmal sichtbar. Vielleicht widersprechen alle und widerspricht alles diesem Bruch. Aber er wird empfunden. Der Romantiker ist grundsätzlich allein in seiner Empfindung. Aber er vertraut ihr. Und es drängt ihn danach seine Empfindung mitzuteilen.

Zuerst erscheint dieser Bruch vielleicht als Schmerz im Verhältnis zwischen mir und meiner äusseren Realität, dann aber noch tiefer, im Menschen drin, als der Schmerz zwischen der eigenen existenzielen Grundlage und seiner Geisteshaltung.

Der Romantiker hofft, dass sich etwas ändert, er glaubt daran, dass sich etwas ändern kann.